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5 Dinge, die ich von „CH7“ gelernt habe

Heute vor 14 Jahren feierte mein erster Spielfilm „CH7“ Premiere – im Kino und im Internet. Was heute als selbstverständlich gilt, war es damals nicht: wir waren die ersten. Zumindest die ersten, die einen Langspielfilm unter einer (damals gerade gegründeten) Creative-Commons-Lizenz im Internet zum Download angeboten haben. Der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt. Erstaunlicherweise ist das, was ich aus dem Abenteuer um „CH7“ gelernt habe, heute aktueller denn je.

Alles fing mit einer knappen Mail an, Subject: „Lust auf Film?“. Wir wollten nach ersten hobbymässigen Versuchen einen „kleinen“ Film drehen. Die Geschichte um Tina, eine junge Filmschaffende, die ihren eigenen Film drehen will und um ihre Ziele zu erreichen auch nicht vor Bankraub und Entführung zurückschreckt, war aber zu stark, um sie in einem „kleinen“ Film abzufrühstücken.

Deshalb wurde ein „grosser“ Film daraus – 90 Minuten voller Satire, Witz und Herzblut. Denn der Film wurde mit kaum Budget produziert; der Bierverkauf an der Premiere am 24. April 2004 hat die Produktion schliesslich finanziert. Wir haben den Film allerdings nicht in die Kinos gebracht, das wäre zu kostspielig und zu riskant gewesen. Deshalb haben wir uns nach einer anderen Möglichkeit umgesehen, den Film zu lancieren: das Internet!

Viral, bevor es „viral“ gab

Heute gibt es die Website ch7.ch nicht mehr (beziehungsweise gehört die Domain einer luschen Sexdate-Agentur), deshalb muss man schon das Internet Archive bemühen, um zu sehen, wie es damals aussah. Übrigens war es anno 2004 alles Andere als selbstverständlich, einen Film im Internet zu publizieren; Youtube würde erst knapp einem Jahr das Licht der Welt erblicken, von der Cloud sprach noch jemand.

Da kamen uns zwei Dinge zu Hilfe: Switch – der Schweizer Domain-Registrar – sowie Creative Commons. Switch ermöglichte es, auf seinem Cluster den Film zu hosten (der kann übrigens immer noch runtergeladen werden), und die soeben gegründete Creative Commons-Lizenz gab uns rechtliche Sicherheit. Wir waren übrigens die ersten, die einen Spielfilm parallel zur Premiere über eine Creative-Commons-Lizenz zur freien Verwendung publizierten.

Die ersten. Das hat natürlich zu einigen Pressemeldungen geführt – insbesondere die Erwähnung in 20min (das gab es damals schon!) hat zu einem riesigen Interesse und ca 40’000 Downloads innerhalb eines Wochenendes geführt – damals dauerte ein Download mehrere Stunden.

Dann ging die Sache viral, würde man heute sagen. Wir haben es geschafft, den Switch-Mirror in die Knie zu zwingen, und haben im Netz der ETH Zürich für einige Probleme gesorgt. Am meisten gefreut hat uns das Interesse aus der ganzen Welt, und während einer kurzen Zeit standen wir im Rampenlicht. Schönes Gefühl.

Der Durchbruch: Creative Commons

Der internationale Durchbruch folgte dann im Mai, in Form einer Einladung zur WOS3-Konferenz (Wizard of OS) in Berlin. Da durfte ich auf dem selbem Panel sprechen wie Lawrence Lessig, der Gründervater der Creative-Commons-Lizenz und ich durfte mich bei ihm für alles bedanken, was schlussendlich die Creative-Commons-Lzenz für uns gemacht hat: Sie hat uns die Sicherheit gegeben, diesen Schritt zu tun.

Die Worte von Eben Moglen, Chefjurist der Free Software Foundation, werde ich nie vergessen: Bezugnehmend auf den Copyright-Krieg der Musikindustrie meinte er: „Wir haben bereits gewonnen. Die nächste Generation wird den Kopierschutz nicht mehr verstehen“. So lange hat es nicht mal gedauert.

Gebenedeit wurden wir schliesslich durch die wohlwollende Berichterstattung von Heise, dem damals führenden deutschsprachigen IT-Verlag (und er ist es eigentlich heute noch) – hier, hier und hier.

„Stay hungry, stay foolish“

Das Zitat von Steve Jobs – einer der Menschen, der mich wohl am meisten beeinflusst hat – aus seiner Rede in Stanford fasst die Erfahrungen, die ich mit „CH7“ gemacht habe, sehr gut zusammen. Rückblickend nach 14 Jahren stelle ich erstaunt fest, dass diese Erkenntnisse noch heute zutreffen, mehr denn je:

  1. Just do it: Wenn man eine Idee hat, die es sich zu verwirklichen lohnt, mach es. Sei es im Geschäft, als Hobby oder im Privaten: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, und im schlimmsten Fall hat man immer noch etwas gelernt dabei. Also: Tu es einfach.
  2. Thinking outside of the box: Manchmal ist der direkte oder offensichtliche Weg nicht der Beste. Wir hätten versuchen können, den Film in die Kinos zu bringen, und wären grandios gescheitert. Oder wir hätten ihn einfach verschwinden lassen und an ein paar Festivals zeigen können. Erst durch den für diese Zeit neuartigen Gedanken – „wie würde man denn Software unter die Leute bringen?“ – aus der Informatik, und nicht aus der Filmwelt, haben wir erreichen können, was wir erreicht haben. Mit innovativen Ideen und dem Öffnen des Lösungsraums, ohne an Vorgefertigtem festzuhalten, haben wir schliesslich die Lösung gefunden.
  3. Nach bestehenden Lösungen suchen: Zugegeben, wir hatten viel Glück. Gerade rechtzeitig für uns hat Larry Lessig unser grösstes Problem – „Wie können wir unsere Urheberrechte bei einer Veröffentlichung übers Netz schützen?“ – mit der Formulierung der Creative-Commons-Lizenz gelöst. Also nichts wie übernehmen, für die eigenen Zwecke anpassen und weiter gehts!
  4. Don’t be afraid (of yourself): Solche Projekte mit Risiko zur Viralität haben die Tendenz, dass sie sich ab einem gewissen Punkt nicht mehr kontrollieren lassen. Das erzeugt eine Heidenangst und schlaflose Nächte, wie auch Markus, damaliger Mitstreiter bei CH7, erst kürzlich wieder erfahren durfte. Versucht, keine Angst vor dem eigenen Mut zu kriegen. Augen zu und durch. Irgendwie wird es schon gehen.
  5. Have Fun! Nicht vergessen: bei solchen Abenteuern darf der Spass nicht auf der Strecke bleiben, insbesondere wenn es sich um Projekte ausserhalb des eigentlichen Jobs handelt. Auch wenn man manchmal den Tränen und dem Zusammenbruch nahe ist, geniesst die Zeit – ihr werdet später darüber lachen und die gemachten Erfahrungen werden euch viel nutzen. Und es macht eben wirklich Spass.

Diese Erkenntnisse gelten auch heute noch – in jedem (IT-) Projekt, in jedem Startup und privaten Projekt empfehle ich, sich daran zu halten. Insbesondere in der heutigen schnelllebigen Zeit, in der Bestehendes im Minutentakt hinterfragt und neu erfunden wird, sollte man diese Punkte nicht aus den Augen lassen.

Apropos Fun: Der Film „CH7“ ist tatsächlich noch einsehbar, nämlich hier. Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen thailändischen TV-Sender. Ich glaube wenigstens, dass es sich um einen TV-Sender handelt.

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